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Gedichte


Der Ratschläger

 

Wenn ich etwas bedenke,

sagst Du: „Geh doch mal raus!“

wenn ich mich still versenke,

gehst Du mit Freunden aus.

 

Wenn ich Probleme nenne,

trinkst Du Dein kühles Bier,

wenn ich mich grob erkenne,

flanierst Du mit viel Zier.

 

Du sagst, Dein Leben wär was,

ich schau Dir ins Gesicht;

ich frage Dich: „Was wär das?“,

Du antwortest mir nicht.

 

 

Madelaine Kaufmann

 

Bibliothek deutschsprachiger Gedichte, 2018

Ausgewählte Werke XXI




Ich kann nicht mehr.
Von allen Seiten schlägt’s mich nieder,
ich weiß nicht links, noch rechts zu blicken
und blick ich doch, so ist’s verschwommen.
Mein Auge will’s nicht fassen.

Ich will nicht mehr.
Ich will nicht einen Schritt mehr vorwärts geh’n.
Zu düster ist die Ortschaft.
Doch kann ich auch nicht rückwärts schreiten.
Ich kann nur noch riskieren.

Ich muss ja doch!
Wenn ich’s nicht wag, kann ich auch sterben.
Es kommt bei beidem gleiches `rum.
Ich kann nicht Tiefe woll’n und Dunkelheit verneinen.
So dreh ich ganz gewiss nicht um!

 

 

Madelaine Kaufmann

 

Bibliothek deutschsprachiger Gedichte, 2017

Ausgewählte Werke XX





Fremd        

 

Und wie mein Haus in Stille steht

und niemand meinen Hass verweht,
der eisig klamm mein Herz umschnürt,

so feurig den Verstand verführt,

 

seh ich vor grauer Nebelwand

nicht mal das eigne Heimatland.

Und wie der Kirchturm sechse sagt

und mich aus meinem Traum verjagt,

 

der ewig schön mein Herz umkreist,

so schwindelnd hell gen Himmel weist,

spür ich, blick ich zum Fenster hin,

dass ich hier nicht zu Hause bin.

 

 

Madelaine Kaufmann

 

Bibliothek deutschsprachiger Gedichte , 2014

Ausgewählte Werke XVII


Untergang

 

Verstört verfliegt ein Vogelpaar,
ein Glänzen strahlt wie Silberhaar;

ein Himmel steht und ändert nicht,

ein Mann blickt starr ins Angesicht.

 

Ein Schatten schirmt die Lichter ab,
ein Toter fällt ins Lebensgrab,

die Sonne scheint so sonderbar,

ein trüber Blick wird nimmer klar.

 

Die Blume welkt, der Wind steht still,

als ob kein Ding mehr reden will.

Verstummt verhallt verhasstes Wort

Und nimmt die Achtung mit sich fort.

 

Ein Blatt fällt ab, die Welt entgleist,

im stillsten Tod ist sie vereist.

Nicht Feuer flammt durch’s Erdentor,

kein Requiem erklingt im Chor.

 

Kein Schnee bedeckt, kein Regen fällt,

so geht sie unter, diese Welt.

Der Mensch steht auf, er merkt es nicht,

er blickt nur starr ins Angesicht.

 

 

Madelaine Kaufmann

 

Veröffentlicht in der Anthologie „Minden schreibt – wer schreibt mit?“

(Schreibwettbewerb 2011)